von Greta Mack, SKI Jahrgang 2022/23
Während der Corona-Pandemie stockte der Gesetzgebungsprozess in der Europäischen Union: Aufgrund der Kontakt- und Reisebeschränkungen konnten die Plenarsitzungen des Europäischen Parlaments in Straßburg überhaupt nicht, in Brüssel nur stark eingeschränkt stattfinden. Sorgte diese außergewöhnliche Situation für eine Schwächung des Europäischen Parlaments?
Die Aufgabe des Europäischen Parlaments
Dem europäischen Parlament kommen im „institutionellen Dreieck“, welches sich zusätzlich aus dem Ministerrat und der Europäischen Kommission bildet, eine wichtige Rolle zu: Durch die alle 5 Jahre stattfindende Wahl vertritt das Europäische Parlament die Ansichten der WählerInnen und ist somit das einzige direkt legitimierte Organ der EU (Vgl. Europalexikon bpb). Als Teil des „institutionellen Dreiecks“ der EU ist das Europäischen Parlament unter anderem an der Gesetzgebung sowie an der Aufstellung des Haushaltsplans beteiligt – aber auch an der demokratischen Kontrolle aller EU-Organe.
Das Parlament in Krisenzeiten
Oft wird Kritik am Europäischen Parlament geübt: Besonders während der Corona-Krise äußerte sich eine Vielzahl an Menschen polemisch gegenüber dem Europäischen Parlament, denn diese Krise habe ein weiteres Mal ein Demokratiedefizit offenbart. Durch die Kontaktbeschränkungen in der Pandemie fielen im März 2020 sämtliche Ausschusssitzungen aus, was zu einer verringerten Beteiligung des Parlaments an der Krisenpolitik führte. Somit nahm das Europäische Parlament eine Zuschauerrolle ein (Vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik), während intergouvernementale Verfahren dominierten und die Staats- und Regierungschefs fassten im Europäischem Rat die richtungsweisenden Beschlüsse. Die geringe Beteiligung an der Krisenpolitik ist jedoch nicht ausschließlich dem Wegfall der Ausschusssitzungen im März 2020 geschuldet und ist auch kein Alleinstellungsmerkmal der Corona-Krise: Bereits bei der Euro-, sowie bei der Flüchtlingskrise ließ sich eine geringe Beteiligung des Europäischen Parlaments feststellen (Vgl. EU-Politik in Krisenzeiten, bpb). Beispielsweise wurde das erste Griechenland-Programm gemäß Art.122(2) AEUV allein von dem Europäischem Rat durchgesetzt, das Europäische Parlament wurde lediglich informiert.
Auch bei der Flüchtlingskrise war dies der Fall: Nach Art. 78 (3) AEUV wurde über die Verteilungsquote, also die umstrittene Entscheidung über eine gerechtere Verteilung der Flüchtlinge auf die Mitgliedsländer, lediglich unter Anhörung des Europäischen Parlaments entschieden (Vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik).
Strukturelle Probleme
Die räumliche Aufteilung der Tagungsorte in Straßburg und Brüssel, die Einschränkung des Europäischen Parlaments durch Flexibilitätsklauseln, in welchen keine Beteiligung des Europäischen Parlaments verankert ist, sowie der Dominanz des Europäischen Rats bei richtungsweisenden Beschlüssen wird das Europäische Parlament in seiner Souveränität und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt. (Vgl. Stiftung Wissenschaft und Politik)
Reaktion auf Krisen
Das Europäische Parlament ist dennoch fähig in Krisensituationen schnell zu reagieren: Nach Art. 163 der EP-Geschäftsordnung können Gesetze bereits in der ersten Lesung nach Einigung im Trilog, bei welchem sich Parlament, Rat und Kommission auf eine Position einigen, verabschiedet werden. Dies führt zwar einerseits zu einer effizienteren Gesetzgebung, allerdings wird die Arbeit auch intransparenter, da die Triloge (Vgl. Europalexikon „Trilog“, bpb) nicht öffentlich stattfinden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass dem Europäischen Parlament als einzigem direkt legitimierten Organ der EU zwar eine wichtige Funktion zukommt, in Krisensituationen die Souveränität des Europäischen Parlaments allerdings durch strukturelle und externe Faktoren eingeschränkt wird.
„Wenn ich etwas sofort in der EU ändern könnte, dann würde ich das Parlament stärken und die Kommission enger an das Parlament binden“, so sagt Markus Ferber (CDU), deutsches Mitglied des Europäischen Parlaments (Vgl. Website Markus Ferber). Um die Funktionalität des Europaparlaments in Krisen zu stärken und um einen Demokratiedefizit zu verhindern, sollte man also eine Reform des institutionellen Dreiecks in Betracht ziehen (Vgl. Die EU im Krisenmodus, bpb).
Quellen
- Bundeszentrale für politische Bildung (Clar, M.): Trilog: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/309452/trilog/ (Abgerufen am 26.06.2023)
- Bundeszentrale für politische Bildung (Maurer, A.): Das Europalexikon: Europäisches Parlament. https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/176937/europaeisches-parlament-ep/ (Abgerufen am 21.05.2023)
- Bundeszentrale für politische Bildung (Müller Gómez J., Reiners W., Wessels W.): EU-Politik in Krisenzeiten: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/255603/eu-politik-in-krisenzeiten/ (Abgerufen am 21.05.2023)
- Bundeszentrale für politische Bildung (Schmuck O.): Die EU im Krisenmodus: Herausforderungen und Reformimpulse: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/europaeische-union-345/324569/die-eu-im-krisenmodus-herausforderungen-und-reformimpulse/ (Abgerufen am 21.05.2023)
- Feber, M.: Persönliche Website, Zitat: https://www.markus-ferber.de
- Stiftung Wissenschaft und Politik: Das Europäische Parlament und die Corona-Pandemie: https://www.swp-berlin.org/publikation/das-europaeische-parlament-und-die-corona-pandemie (Abgerufen am 21.05.2023)