Abschlussseminar Brüssel: 2.-5. Mai 2018

Das zweite Seminarwochenende des Jahrgangs in Brüssel begann noch vor unserer Ankunft in Belgien. Aus Frankfurt, München, Berlin und Hamburg, von der  Nordseeinsel Spiekeroog, und aus allen Ecken der Republik, kamen die Teilnehmer*innen in Düsseldorf zusammen. Dort trafen wir auf Maik Willmes. Der Unternehmer, internationale Klimaaktivist und Lokalpolitiker wurde von Al Gore zum Climate Reality Workshop nach Indien eingeladen und hat in Düsseldorf das Climate Solutions Projekt ins Leben gerufen. Bei italienischem Ambiente, mit Pizza und Pasta, teilte er mit uns sein Rezept für den gesellschaftlichen Wandel zum Schutz unseres Klimas: breite Allianzen und ein 10-Punkte-Plan für den Alltag, der jedem Einzelnen helfen soll, nachhaltiger zu leben.

Die gemeinsame Busfahrt nach Brüssel bot dann eine höchst willkommene Gelegenheit, das Wiedersehen zu feiern. Die sofort aufflammenden angeregten Diskussionen wurden in Brüssel, über Abendspaziergang und Gemeinschaftsspiele hinaus, bis in die Nacht fortgesetzt. Ein außenstehender Beobachter wäre vermutlich erstaunt gewesen, angesichts der Begeisterung, mit der alle Beteiligten dennoch am nächsten Morgen um 7:50 Uhr zum Europäischen Parlament aufbrachen. Doch die mitreißende Diskussion mit dem SPD-Abgeordneten und Außenpolitiker Arne Lietz und die anschließende Plenarsitzung zur Zukunft Europas ließen das Opfer unserer Nachtruhe nichtig erscheinen. Zumal wir das Glück hatten, eine kontroverse Debatte der Parlamentarier, einschließlich der Redebeiträge von Guy Verhofstadt und Nigel Farage, über die Zukunft Europas mitverfolgen zu dürfen.

Um die Zukunft Europas ging es auch in der anschließenden Unterhaltung mit Sebastian Fischer, Pressesprecher an der weltweit größten deutschen „Botschaft“, der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der Europäischen Union. So manch eine*r verstand da zum ersten Mal den Unterschied zwischen den Austritts-, Übergangs- und Assoziationsabkommen, die mit den scheidenden Briten zu schließen sind. Außerdem war Herr Fischer, wie überhaupt alle Referenten, ganz offen für spannende, teilweise sehr persönliche, Fragen z.B. zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Leben eines Diplomaten und zu den Herausforderungen und Chancen von Auslandsaufenthalten.

Nachdem der touristische Aspekt in Berlin, nach weitverbreitetem Empfinden, noch etwas zu kurz gekommen war, hatten wir für den ersten Nachmittag in Brüssel gleich einen Innenstadtrundgang angesetzt. Der vergoldete Grand Place, das Herzstück der Altstadt, zeigte sich bei strahlendem Sonnenschein von seiner glänzendsten Seite. Beim individuellen Bummel kostete auch so manche*r Teilnehmer*in die berühmten belgischen Waffeln oder erstand exquisite Schokoladen in nicht ganz handelsüblichen Mengen.

Bei der Debatte im Oxford-Stil stellten die SKI-ler ihr rhetorisches Talent unter Beweis. Ganz im Stile einer wild-feurigen Diskussion im britischen Unterhaus stritten sie darüber, ob der Staat unbeschränkten Zugriff auf persönliche Daten haben darf, um Verbrechen zu bekämpfen. Regierung und Opposition konkurrierten dabei darum, wer die besseren Argumente parat hatte. Bis zum Ende blieb die Atmosphäre angeregt gespannt, die Gesten temperamentvoll und die Worte so scharf wie Messer. Den Kampf der guten Argumente konnte zwar die Opposition für sich entscheiden, doch eigentlich siegte nur eine Seite: nämlich die der ausgezeichneten Debattenführung.

Nach diesem Triumph der Diskussionskultur erhielten wir Besuch von Louisa Püschel. Frau Püschel  berichtete nicht nur von ihrer mehrjährigen Arbeitserfahrung bei der NATO, ihrer Arbeit als Lobbyistin für die Biocontrol Manufacturers Association und ihrem Studium in Schweden und Frankreich, sondern auch von ihrem neuesten Projekt, der Ausbildung zur Mediatorin. Besonders wertvoll dabei zeigte sich auch der Austausch zu studienbezogenen Auslandsaufenthalten. Mit ihrer vielseitigen internationalen Erfahrung lieferte Frau Püschel vielfältige Anregungen für die Zukunftspläne der Teilnehmer*innen und provozierte eine nicht enden wollende Welle an Nachfragen. Gut, dass Frau Püschel uns noch ins Restaurant Horloge du Sud begleitete, sodass der Austausch bei afrikanischen Köstlichkeiten fortgesetzt werden konnte.

Am nächsten Morgen, dem dritten und letzten Tag unseres Seminars, tagten wir in den Räumlichkeiten des Brussels Press Club. Während ein aus Burkina Faso angereister Minister unter dem gleichen Dach seine  Pressekonferenz abhielt, empfingen wir Peter Bode, Sozialreferent an der Ständigen Vertretung Großbritanniens. Als Doktor der Physik und ehemaliger Unternehmensberater entschied sich Herr Bode für eine Karriere als britischer Beamter und nahm schließlich auch die Staatsbürgerschaft seiner Wahlheimat an. Mit uns sprach er über 800 Jahre britische Geschichte, von der Magna Carta bis zum Brexit, und gab praktische Tipps für das Studium auf der Insel. Bereits im Gehen erklärte er uns noch bestechend prägnant, inwiefern das überaus komplexe europäische Sozialversicherungssystem im Grunde auf ganz simplen Prinzipien basiert.

Der zweite Teil des Vormittags war dem Transport der Zukunft gewidmet. Folker Franz, Senior Vice President Public Policy bei ABB, einem schwedisch-schweizer Technologieriesen, elektrifizierte uns mit spannenden Fragestellungen zur Elektromobilität. Außerdem räumte er gründlich mit dem vorurteilsbehafteten Image des Lobbyisten auf. Als Übersetzer und Vermittler bereitet Herr Franz die technischen Details so auf, dass das politische Brüssel, z.B. die Experten der Europäischen Kommission dieses Wissen für ihre Gesetzesvorschläge nutzen können und erklärt den Ingenieuren von ABB die politischen Trends.

Vom Brussels Press Club ging es dann zum Besucherzentrum der Europäischen Kommission. Nachdem die Schüler*innen dort zunächst einmal fleißig Selfies am Rednerpult des Besucherzentrums geschossen hatten, lauschten sie gespannt dem Vortrag über die Institutionen der EU und ihre Aufgabenverteilung. Frau Verhoeven schaffte es dabei genau die richtige Balance zwischen Vortrag und Frage-Antwort-Spiel zu wählen und nahm die Schüler*innen so auf eine verbale EU-Entdeckungsreise mit. Die Begeisterung zeigte sich auch, als im Anschluss daran bei einigen Schüler*innen die Enttäuschung groß war, das im Zentrum ausliegende Buch zur EU-Gesetzgebung übersehen und nicht eingepackt zu haben. Glücklicherweise können alle Infomaterialien der EU auch online bestellt werden.

Von der Kommission zog es die Gruppe zur ARD, wo uns WDR/MDR-Reporter Kai Küstner empfing. Zunächst konnten hier einmal alle den Technikraum inspizieren und auch die Grünkammer unsicher machen. Dabei entdeckten sie auch schnell ein grünes Tuch, das für eine Weile zur Hauptattraktion wurde: so schnell hat sicher noch keine Gruppe den Technikraum  in ein Miniatur-Hogwarts verwandelt und den Technikmann mit dem Tarnumhang verzaubert. Bezaubernd war es auch, wie schnell die Schüler*innen danach den Wechsel zum ernsten Gespräch mit Herrn Küstner vollzogen. Dieser berichtete, wie er von seinem Einsatz in Krisengebieten wie Afghanistan nach Brüssel kam, welche Ähnlichkeiten und welche Unterschiede es in der Berichterstattung beider Regionen gibt und wie sein Alltag als Journalist aussieht. Wie von unserer Gruppe bekannt, gab es auch hier deutlich mehr Fragen, als die Zeit zuließ.

Als die Teilnehmenden sich im Anschluss bewusst wurden, dass wir mit dem ARD-Besuch bereits beim letzten offiziellen Programmpunkt angekommen waren, machte sich zunächst ratlose Traurigkeit breit. So schnell wollte sich niemand von den Freund*innen und der internationalen (Berufs-)Welt trennen um in den Schulalltag zurückzukehren. In einer letzten Reflexionsrunde wurde aber allen schnell klar, dass das Ende des Schülerkollegs International vor allem einen Anfang bedeutet. Der Anfang von bleibenden Freundschaften, die auch durch Alumnitreffen gepflegt werden können. Es gab Inspiration für noch größeres gesellschaftliches und politisches Engagement und die Studienplatzwahl, bei dem die Mentor*innen des Studentenforums gerne weiterhin behilflich sind. Zudem wurde bei den Teilnehmenden das Interesse an einem Studienaufenhalt und einer Karriere im Ausland weiter vertieft. Durch die vielen spannenden Gespräche mit den unterschiedlichen Referenten wurde deutlich, wie vielfältig und wie bereichernd Auslandsaufenthalte sind. Wir sind gespannt darauf, in welche Länder und Regionen es die Teilnehmenden in den nächsten Jahren zieht – sei es für einen Studienaufenhalt, ein Praktikum oder für die Projektarbeit. Außerdem hofft das Studentenforum im Tönissteiner Kreis natürlich auf viele Bewerbungen aus den Reihen der ehemaligen Schülerkollegiat*innen, damit die Teilnehmer von heute vielleicht in ein paar Jahren schon die Betreuer*innen oder Referent*innen von morgen werden.