von Felix Moskalev, SKI Jahrgang 2022/23

Konzertiert?

Am 04. Juli 2022 lud Bundeskanzler Olaf Scholz Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter zu einer konzertierten Aktion, um gemeinsam zu „diskutieren, wie […] mit der aktuellen Preisentwicklung um[zu]gehen“ (Olaf Scholz in: Tagesschau, 2022) sei. Konzertiert war dabei ein für manche nur sehr konzentriert zu begreifendes Adjektiv. Der Duden erklärt dieses mit „verabredet“ oder „aufeinander abgestimmt“.

Es war folglich ein Versuch, gemeinsam im Bundeskanzleramt die Folgen der 2022 besonders hohen Inflation in Deutschland abzumildern. Zusammenarbeit erscheint angesichts der im Jahr 2022 bestehenden multiplen Krisen auch notwendig. Dies beinhaltet auch internationale Zusammenarbeit, welche durch die „vielfältigen und vielschichtigen Abhängigkeiten und Wechselwirkungen“ (Jäger/Daun/Freudenberg, 2022, S.V), des 21. Jahrhundert notwendig wird.

Eine Notwendigkeit zur Zusammenarbeit besteht auch für die Partner einer Bundesregierung. Doch häufig besteht innerhalb dieser ein Dissens über die zu ergreifenden Maßnahmen in der Reaktion auf eine oder mehrere, sich überlagernde Krisen.

Richtlinienkompetenz?

So galt es im Oktober 2022 auch den politischen Begriff der „Richtlinienkompetenz“ zu entschlüsseln, welche der Bundeskanzler einsetzte, um ein Ende des Streits um die Verlängerung der Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland herbeizuführen (vgl. Deutschlandfunk, 2022). Sie ist in Artikel 65 des Grundgesetzes als Element des Kanzlerprinzips (vgl. Detterbeck, 2014, S.32) sowie in der Geschäftsordnung der Bundesregierung festgeschrieben:

§1 (1) der Geschäftsordnung besagt: „Der Bundeskanzler bestimmt die Richtlinien der inneren und äußeren Politik.“

§1 (2) ergänzt: „Der Bundeskanzler hat das Recht und die Pflicht, auf die Durchführung der Richtlinien zu achten.“

Dieses Recht des Bundeskanzlers ist darauf zurückzuführen, dass er „das Zentrum des parlamentarischen Regierungssystems [bildet] und […] als solches mit besonderen Funktionen ausgestattet“ (Tagesschau, 2022) ist. Grundsätzlich greifen Kanzler auf ihre Richtlinienkompetenz insbesondere in Krisenzeiten zurück, meist indem sie mit der Anwendung dieser drohen (vgl. Doll, WELT, 2022). Formell wendete sie vor Olaf Scholz letzt- und erstmals Konrad Adenauer an (vgl. ebd.). Denn das Nutzen dieser Kompetenz kann in der Öffentlichkeit wie das Eingestehen einer Krise der eigenen Regierung oder als „Zeichen der Schwäche“ (Schwennicke, NDR, 2022) wirken (vgl. ebd.). Dies ist zu vermeiden, vor allem wenn durch Krisen Ängste und Sorgen in der Bevölkerung entstehen, auf welche mit Kooperation und Geschlossenheit zu antworten ist – sozusagen in konzertierter Weise.

Krisenmanagement?

Einem Krisenmanagement sollen formelle Verfahren wie die bereits vorgestellte Richtlinienkompetenz sowie auch informelle Verfahren dienen (vgl. De Maizière, 2019, S.37f.). Sie können den Austausch und damit auch ein abgestimmtes Handeln in Krisenzeiten fördern, werden jedoch oft auch als „Hinterzimmerpolitik“ (ebd., S.37) bezeichnet. So wurde die in der Corona-Krise gehäuft tagende Ministerpräsidentenkonferenz, bei der es sich nicht um ein Verfassungsorgan handelt, oft als zu intransparent kritisiert (vgl. Küpper, Augsburger Allgemeine, 2022).

Was tun?

Gerade in Krisen erscheint transparentes Handeln und nachvollziehbare Kommunikation gegenüber den Bürgern jedoch unerlässlich. Diese Transparenz muss mit anderen Gütern wie effizientem und schnellem Handeln abgewogen werden. Letztlich hat die Politik gerade in Krisenzeiten zu führen und Lösungen zu präsentieren. In der öffentlichen Wahrnehmung stehen dann diese oft mehr im Vordergrund, als die Verfahren auf dem Weg zu diesen, ob sie nun konzertiert, formell oder informell waren.

Bibliographie

Literatur

  • Jäger, Thomas / Daun, Anna / Freudenberg, Dirk (Hrsg.) (2022): Politisches Krisenmanagement. Band 3: Führung – Recht – Organisation, Wiesbaden: Springer VS
  • Detterbeck, Steffen (2014): Öffentliches Recht im Nebenfach, München: Verlag Franz Vahlen
  • De Maizière, Thomas (2019): Regieren. Innenansichten der Politik, Freiburg im Breisgau: Herder-Verlag

Internetquellen