von Mischa Lauterbach, Dominik Zorn und Dmitry Nekhoroshkov

Die globale Ungerechtigkeit ist heutzutage größer als jemals zuvor in der Geschichte. 2017 besitzen die acht reichsten Menschen so viel wie die ärmere Hälfte der Menschheit – und die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Wie konnte es dazu kommen? Wodurch wird dieses Ungleichgewicht aufrechterhalten? Wie kann die Ungleichverteilung wirksam vermindert und der Weg zu einer gerechten Welt geebnet werden? 

Teil I: Ungerechtigkeit in der Geschichte

Die globale Ungerechtigkeit ist heute größer als je zuvor. Aber wo hat sie in der Menschheitsgeschichte ihren Ursprung? Wie hat sie sich entwickelt? Inwiefern wehrten sich die Menschen der Vergangenheit gegen Ausbeutung?

Egoismus als ein Urtrieb des Menschen – frei nach dem Motto „Survival of the fittest“

Survival of the fittest – der Stärkere überlebt. Es scheint, als wären der Egoismus und die Fixierung auf das eigene Wohlergehen Urinstinkte des Homo Sapiens. Neid, Missgunst und Eifersucht sind ursprüngliche menschliche Gefühle, die wohl schon in der Frühzeit das Verhalten unserer Art bestimmten. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Eismumie „Ötzi“, die vor mehr als 5.000 Jahren in den Ötztaler Alpen einem Mordanschlag zum Opfer fiel. Das Ziel waren vermutlich seine wertvollen Besitztümer, an denen man sich bereichern wollte.

Ungleichheit in frühen Hochkulturen

Mit dem Entstehen erster Hochkulturen in Mesopotamien oder Ägypten wurde die Subsistenzwirtschaft durch das Prinzip der Arbeitsteilung verdrängt. Das heißt, es entstanden verschiedene Berufe wie z.B. Bauern, Beamte oder Priester, die unterschiedliche Verantwortung zu tragen hatten. Diese Teilung ging auch mit einer Einteilung der Bevölkerung in verschiedene Schichten einher. Sie unterschieden sich hinsichtlich der Macht, des Einflusses oder der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Der Wohlstand einer kleinen Gruppe von Menschen wurde durch die Unterdrückung und Ausbeutung anderer ermöglicht. Außerdem führte die gewaltsame Unterwerfung anderer Völker zu einer immer größeren Ungleichverteilung.

Faktor Geld

Mit der Erfindung des Geldes als „spezifische Äquivalentware“ (Vgl. Das Kapital, Karl Marx) durch die Phönizier wurde der Tauschhandel mit Gegenständen abgelöst und eine Währung geschaffen. Geld spielt bei der Entwicklung von Ungerechtigkeit eine entscheidende Rolle, da es als Wertaufbewahrungsmittel dient. Es generiert seinen Wert durch die Knappheit, was bedeutet, dass nur eine begrenzte Menge davon vorhanden ist. Anderenfalls würde es zu einer Inflation kommen. Wenn nun eine Person mehr Geld als der Grundwert besitzt, bedeutet das auf der anderen Seite, dass andere Personen weniger besitzen müssen. So baute der Reichtum Ägyptens beispielsweise auf der Ausbeutung und Versklavung anderer Völker (z.B. der Israeliten) auf.

Hierarchische Systeme und Religionen

Die Ungleichverteilung von Macht und Geld stützt seit der Antike hierarchische Systeme, wie sie überall auf der Welt entstanden. Ob nun die Ständegesellschaft in Europa oder das Kastensystem in Indien – vielfach wurde soziale Ungerechtigkeit als gottgegeben gerechtfertigt.

Obwohl Religionen wie das Christentum eigentlich andere Ansätze wie z.B. Barmherzigkeit, Nächstenliebe oder Gleichheit verfolgten, gelang es einer Herrschaftselite u. a. durch Desinformation ihre Vorrangstellung aufrechtzuerhalten. Ungerechtigkeit ist immer auch eine Frage von Wissen und Bildung.

Die Zeit der Kolonialisierung

Mit der „Entdeckung“ Amerikas im Jahre 1492 begann ein Kapitel der Menschheitsgeschichte, das wie kaum ein anderes von Ausbeutung und Ungerechtigkeit geprägt sein sollte: der Kolonialismus. Die in Europa bekannte Welt verdreifachte sich durch Expeditionen von Menschen wie Kolumbus, Cook oder Vasco da Gama. Die Vorherrschenden europäischen Mächte in der neu entdeckten Welt waren England, Spanien, Portugal und Frankreich. Sie verfolgten eine gewaltsame Politik des Eurozentrismus und sahen die vorgefundenen Menschen als minderwertig und unterworfen an. Es kam zu einer gnadenlosen Ausbeutung der Rohstoffe und der indigenen Völker z.B. in Form von Sklaverei. Gleichzeitig erlebten die europäischen Länder einen wirtschaftlichen Aufschwung, einen Aufschwung auf Kosten Amerikas, Afrikas, Asiens und Australiens. Die Ungerechtigkeit ist unübersehbar.

Globalisierung als Gunstfaktor der Ungerechtigkeit

Im Zuge des Kolonialismus wurden ferne Länder immer besser zu erreichen und die Welt immer stärker vernetzt- der erste Schritt zu der globalisierten Welt von heute. Dabei vergrößerte die räumliche Trennung der verschiedenen Klassen die Ungerechtigkeit immer weiter und sie wurde zugleich indirekter. So nahm der Wohlstand in Europa immer mehr zu und Ungleichheit innerhalb einer Gesellschaft sank. Dabei gründete sich die Entwicklung auf die schamlosen Ausbeutung der unterdrückten Länder der sogenannten „Dritten Welt“.

Anonymisierung von Ungerechtigkeit

Es ist eine Entwicklung von lokaler und unmittelbarer Ungerechtigkeit (z.B. des Lehnsherren zu seinem unterworfenen Hörigen) zu globaler, anonymisierter und indirekter Ungerechtigkeit (z.B. der ausgebeutete afrikanische Baumwollbauer oder die indische Näherin, die die Markenkleidung für einen Europäer unter unmenschlichen Bedingungen produzieren). Der Lehnsherr begegnete seinem Leibeigenen jeden Tag und nahm sein Elend wahr, während der heutige Europäer nichts von den Menschen weiß, die er jeden Tag ausbeutet, geschweige denn, ihnen begegnet.

Widerstand gegen Ungerechtigkeit

In der Geschichte zeigte sich, dass übermäßige Ungerechtigkeit zwangsläufig zu einer Veränderung führt. Dies lag vor allem daran, dass die unterdrückte Mehrheit letztlich doch stärker war, als die winzige Machtelite. So wehrten sich die Menschen gegen extrem ungerechte Systeme. Beispiele aus der deutschen Geschichte sind die Germanenaufstände gegen die Römer, die Bauernkriege, die Märzrevolution 1848/49, die Revolution 1918 oder die deutsche Wiedervereinigung 1989 – und letztlich wurden Mitte des letzten Jahrhunderts auch die meisten Kolonien nach Jahrhunderten der Unterwerfung unabhängig. Der Widerstand war zum Teil friedlich, zum Teil gewaltsam.

 Teil II: heutige Faktoren

Dies alles sind Faktoren der Vergangenheit. Doch wer denkt, dass Ausbeutung Schnee von gestern sei, hat einiges noch nicht bedacht: Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer weiter auseinander. Im Jahr 2017 ist die globale Ungleichverteilung größer denn je. Laut einer Oxfam-Studie besitzen die acht reichsten Menschen der Welt genauso viel, wie die ärmere Hälfte der Menschheit. Das ist erschreckend. Wie kommt es dazu, wo die hiesige Wirtschaft doch so floriert? Den Fortschritt der europäischen Zivilisation erfahren nur EuropäerInnen, nicht jedoch ein großer Teil der restlichen Welt. Auch won Menschenrechten, der Digitalisierung und politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten bekommen viele nichts mit.

Leben auf Kosten der Anderen

Sei es durch auswärtige Investitionen, schlechte Arbeitsbedingungen oder Waffenlieferungen: Der Westen lebt auch im 21. Jahrhundert auf dem Rücken der Menschen in wirtschaftsschwächeren Ländern. Hier bei uns floriert die Wirtschaft – unter anderem wegen des inflationären Konsumverhaltens vieler EuropäerInnen. Und dabei übersieht man schnell, dass nicht jeder diesen „Luxus“ hat. Woanders fehlt es an Mitteln zur Bildung, an Trinkwasser und medizinischen Einrichtungen – alles Gewohnheit hingegen, hier in Europa.

Menschenrechte nur auf dem Papier

Vielfach anerkannt ist die Artikulation der Menschenrechte, in denen festgelegt ist, was allen Menschen unabdingbar zustehen soll. Betrachtet man nun die Wirklichkeit, wird man schnell feststellen, dass in der EU und den USA diese Rechte mehr oder weniger gelten. Es geht uns eigentlich ganz gut. Und dafür feiern wir uns. Wir haben es geschafft: unabdingbare Rechte für uns selbst. Doch in Entwicklungsländern gelten diese Rechte nicht. Dort herrschen vielfach keine Gleichstellung von Mann und Frau, Pressezensur, Verbote zur politischen Meinungsäußerung und viel zu wenig Geld zum Leben. Und weil Großkonzerne und Staaten durch Privatisierung von Wasser, Waffenlieferungen und schlechte Arbeitsbedingungen zudem ordentlich verdienen, wird sich daran auch nie etwas ändern. Wir haben ein wirtschaftliches Interesse am Elend Anderer.

Europas Weltpolitik bekommt imperialistische Züge

Die Zeit der Kolonialisierung hat die Weichen gestellt für die dauerhafte Unterdrückung einer gigantischen Zahl von Menschen. Kein Wunder, dass Menschen nun auch ihre Heimat verlassen, um zu überleben. Niemand gräbt seine Wurzeln aus der Erde, wenn er/sie es nicht muss. Nach einer langen Reise endlich im großkapitalistischen Europa angekommen, erfahren nun eben diese Menschen den Protektionismus der Einheimischen. Sie verließen ihre Heimat wegen der unmoralischen Politik unsererseits nur, weil die EuropäerInnen um ihre heile Welt und ihre wirtschaftliche Vorrangstellung fürchten.

Hoch die Internationale Solidarität

Der Weg zu einem menschenwürdigen Leben für alle Menschen der Erde ist ein langer und sicherlich kein einfacher. Ein Ansatz könnte sein, den Fokus der europäischen Politik auszuweiten. Die schon vorhandenen Entwicklungshilfeprogramme zu fördern, sollte Priorität Nummer eins sein. Auch wenn viele BürgerInnen den Blick für das Elend schnell verlieren, sollten zumindest die PolitikerInnen bedacht sein, dass niemand auf der Strecke bleibt. Es gilt, den Fortschritt in Form von Digitalisierung und wissenschaftlichen Erkenntnissen, allen Menschen zugänglich zu machen. Wir müssen aufhören damit, dass uns andere Menschen egal sind.

Teil III: Überwindung der Ungerechtigkeit

Es scheint selbsterklärend zu sein, wieso eine Lösung der massiven globalen Ungerechtigkeit dringend notwendig ist. Der aufstrebende Rechtspopulismus und der erstarkende Neoliberalismus bieten da höchstens einen weiteren Rückschlag in der Menschheitsgeschichte. Nötig sind radikale Veränderungen in unserer Politik.

Die Wurzeln der Ungerechtigkeit und ihre Auswirkungen

Zwar ist die Arbeit von Organisationen aus dem Bereich der Entwicklungs- und humanitären Hilfe sehr unterstützenswert, doch stellt sie erst einen kleinen Schritt dar. NGOs wie die Welthungerhilfe, Amnesty International und viele andere setzten sich tagtäglich dafür ein, die Konsequenzen unserer Lebensweise abzudämpfen. Doch das Problem ist viel tiefgreifender, als dass es durch gemeinnützige Arbeit gelöst werden könnte. Statt die Symptome einer Krankheit zu lindern, muss die Krankheit an sich überwunden werden.

Umweltzerstörung führt zu verstärkter Ungerechtigkeit

Ein intaktes Ökosystem stellt die Grundlage unserer Existenz dar. Die massive Umweltverschmutzung und Zerstörung weltweit scheint eben diese zu bedrohen. Die Auswirkungen des Verhaltens der Industrieländer bekommen vor allem die Menschen in den Entwicklungsländern zu spüren. So werden die Konsequenzen des Anstiegs des Meeresspiegels im Zuge des Klimawandels in Bangladesch deutlich gravierender als in Deutschland sein, da dort das Geld für angemessenen Küstenschutz fehlt. Unter dem Temperaturanstieg leiden am stärksten ebenfalls nicht die Industrieländer in den gemäßigten Zonen, sondern tropische Regionen wie die Sahelzone und die Polargebiete. Die hauptsächlich von den reichen Ländern ausgelösten Umweltzerstörungen belasten also vor allem den ohnehin schon armen und benachteiligten Teil der Menschheit. Die globale Ungerechtigkeit wird nur weiter verstärkt.

Verringerung der globalen Ungerechtigkeit durch Umweltschutz

Um die Menschen in den Entwicklungsländern vor diesen Folgen zu schützen, müssen die Probleme der Umweltschädigung an der Wurzel bekämpft werden. Es muss in der Politik und in der Bevölkerung der Industrieländer ein grundsätzliches Umdenken einsetzen. Die Umweltzerstörung muss aufhören. Staatliche Subventionen für erneuerbare Energiequellen und ökologische Nahrungsproduktion stellen den ersten Schritt zur Rettung vor den derzeitigen Auswirkungen der Konzerne aus Industrie und Handel dar. Doch um die Entwicklungen tatsächlich zu stoppen, ist eine tiefgreifendere Veränderung in der Politik nötig. Die Konjunktur darf nicht mehr erste Priorität haben. Denn Umweltschutz ist nicht mit weiterem Wirtschaftswachstum und Steigerung landwirtschaftlicher Produktion vereinbar. Die Forschung im Bereich nachhaltiger und erneuerbarer Technologien muss gefördert werden. Universitäten muss hierfür freie und unabhängige Forschung ermöglicht werden, statt dass sie sich den Interessen der Unternehmensgiganten beugen müssen.

Ein Internationales Rechtssystem

Dort wo das aktuelle Völkerrecht versagt und die Wege der Diplomatie ins Leere laufen, muss ein gerechtes globales Rechtssystem eingreifen, statt den „global players“ freies Feld zu lassen und durch die marktwirtschaftliche Globalisierung die Ausbeutung ganzer Völker zuzulassen. Auch wenn es rechtswissenschaftlich noch hoch im Diskurs steht, muss der Aufbau eines Weltrechts als Ziel feststehen. Nur durch eine steigende Internationalisierung können nationale Grenzen überwunden werden hin zu einer friedlicheren und gerechteren Welt.

Überwindung des Kapitalismus ist notwendig

Denn das herrschende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist nicht fehlerhaft und muss auch nicht verbessert werden. Das System ist der Fehler – und es muss überwunden werden. Der Kapitalismus funktioniert genau wie er soll: Durch die Profitgier werden Mensch und Umwelt nur zum Kostenfaktor, den es zu senken gilt, um der Elite Reichtum und Macht zu garantieren. Er ist inhuman und selbstzerstörend. Ein Grundsatz der Ungerechtigkeit ist die Tatsache, dass eine reiche, einflussreiche Minderheit die arme Mehrheit unterdrückt. Letzten Endes ist die Mehrheit immer die stärkere Partei. Das zeigte sich auch in der Geschichte. Demnach ist also die Frage nicht ob, sondern wann ein Systemwechsel erfolgt. Doch die Zeit drängt. Aber solange noch ein Baum seine Zweige zur Sonne streckt, durch die Kiemen eines Fisches noch Wasser strömt und die Idee der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit nicht aus dem Gedächtnis der Menschen verblasst, ist noch Zeit für Veränderung. Es braucht nur jemanden der die Faust in die Luft streckt und dem Volk den Weg in die Freiheit zeigt. Denn es liegt an uns, die Welt von morgen zu gestalten.