von Leonie Nausester und Vivien Jung

Unter unserem diesjährigen Jahresthema „Demokratie in der Dauerkrise“ haben wir uns unter anderem mit dem Einfluss der Sprache, deren Verwendung von Politikern sowie der Debattenkultur beschäftigt.

Gestik, Mimik, Körpersprache, Sätze, Wörter: Das alles sind Wege über die wir kommunizieren – uns anderen mitteilen. Dadurch können wir uns mit anderen sowohl unterhalten als auch streiten, wir können jemandem etwas beibringen oder versuchen, ihn von unserer Meinung zu überzeugen; wir schaffen Gemeinsamkeiten oder stellen Unterschiede heraus.

In unserer Gesellschaft spielt Sprache eine essenzielle Rolle. An erster Stelle in der Politik. In Verhandlungsrunden wird diskutiert, in darauffolgenden Pressekonferenzen informiert, in Ansprachen an den Bundestag, wie auch an die Bevölkerung Überzeugungsarbeit geleistet und anschließend in Talk-Shows verteidigt oder in Frage gestellt. Politiker verwenden die Macht der Sprache regelmäßig, um eine gezielte Wirkung zu erreichen. Sei es bei einer Fernsehansprache an die Bevölkerung, um diese z.B. auf die Einhaltung von Corona Maßnahmen einzuschwören, sei es mit kurzen, verständlichen und eingängigen Slogans im Wahlkampf oder auch gezielter Provokation durch tabuisierte Begriffe. Eine lebendige Sprache ist wichtig für die Meinungsbildung des Volkes und damit für den demokratischen Diskurs.

Grundsätzlich lässt sich, nach dem Germanisten Karl-Heinz Göttert, zwischen männlicher und weiblicher Rhetorik unterscheiden, wobei diese nicht vom Geschlecht  des Benutzers abhängig ist. Weiblicher Rhetorik arbeitet mit Erzählungen, z.B. über die eigene Herkunft, während männliche Rhetorik eher stark logisch orientiert ist und auf Antithesen und Paradoxe setzt. Nehmen wir hier zum Beispiel die beiden Staatschefs Macron (Frankreich) und Merkel (Deutschland), denn politische Rednerinnen und Redner offenbaren durch ihre Reden nicht nur ein unterschiedliches Staatsverständnis, sie zeigen dadurch auch, wer sie selbst sind.

Die sonst eher männliche Rhetorik verwendende Rednerin Angela Merkel hat seit Beginn der Corona-Pandemie teilweise sehr emotionale Reden gehalten. So Beispielsweise eine außerplanmäßige Fernsehansprache am 18.03.2020 an die deutsche Bevölkerung, in der sie die Covid-19 Pandemie als größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg nannte sowie an die Bürger appellierte, unnötige Begegnungen zu vermeiden und sich an die Regeln zu halten. Hier sagte sie den Satz: „Es ist ernst, nehmen Sie es auch ernst.“ Im Gegensatz dazu steht der französische Präsident Emanuel Macron, der sich in seine Emotionen in den verschiedenen Reden insbesondere zu Corona immer mehr zurücknahm und weg von starken Gefühlen („Wir befinden uns im Krieg“) zu eher sachlichen Argumentationen steuert.

Bei den beiden US-amerikanischen Präsidenten Trump und Obama zeigt sich die mobilisierende und polarisierende Macht der Sprache und ihre unterschiedlichen Zielrichtungen besonders gut.

So zum Beispiel die sich wiederholenden Ausrufe Trumps „Fake News“, „Fake Media“, „Chia-Virus“ oder „Hexenjagd“, die das Ziel zu spalten, zu polarisieren und falsche Tatsachen zu schaffen verfolgten. Mit dieser Technik steht Trump für den Typus des populistischen Redners, der vorhandene Ängste und Vorurteile im Publikum zu nutzen und verstärken weiß. Dabei liegt die wahre Kunst guter Redner darin, Menschen für etwas zu gewinnen, von dem sie zuvor nicht überzeugt waren.

Sein Vorgänger Barack Obama konnte dies, allerdings auf eine andere Art und Weise.

Das Stilmittel der Wiederholung nutzte er immer wieder gerne. So zum Beispiel in einer Trauerrede von Opfern eines rassistischen Attentats in Charleston. Hier scheint es Obama gelungen zu sein, die Stimmung der Zuhörenden zu ändern, allerdings diente es in diesem Zusammenhang der Beschwichtigung und Zusammenführung.

Dies zeigt, es ist ein schmaler Grat, Sprache wie auch Stilmittel dazu zu verwenden, in einer lebendigen Demokratie einen Diskurs zu führen, alle Akteure zu informieren und am Prozess zu beteiligen bzw. auf der anderen Seite zu Propagandazwecken zu missbrauchen (wie dies beispielsweise während des Naziregimes oder im heutigen Nordkorea geschah). Sprache ist eine Waffe, die gleichermaßen für gute als auch böse Zwecke eingesetzt werden kann. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, sich der Macht der Sprache bewusst zu sein und für sich selbst zu prüfen, welchem Zweck sie im jeweils konkreten Fall dient.

Dieser Artikel beruht lose auf Anregungen aus einem von ca. 30 Terminen des SKI-Jahrgangs 2020/21 mit Dr. Simone Jung am 28. Januar 2021, die an der Leuphana Universität Lüneburg das Forschungsprojekt Debattenkulturen mit verantwortet. Weitere Informationen finden sich hier: https://www.leuphana.de/universitaet/entwicklung/lehre/projekte/debattenkulturen.html