Erlebt und geschrieben von Katharina Schwerdt und Georg Said Loer
Vor wenigen Tagen ist aus Berlin die Nachricht gekommen, dass die Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl abgebrochen wurden. In Zeitungen kann man noch immer viel darüber lesen, wie die Gespräche hätten verlaufen müssen. Viele Leute haben eigene Vorstellungen davon, wie die verschiedenen Politiker und Parteien nach der Wahl hätten handeln sollen. Auch darüber, wie die Regierungsbildung weitergehen müsste, gibt es viele unterschiedliche Meinungen.
Wer kennt diese Leute nicht- … man sitzt im Fußballstadion und es gibt immer diesen einen Zuschauer, der alles zu wissen glaubt. Er schreit sich die Seele aus dem Halse, auch wenn ihn keiner der Spieler hört. Wenn man ihm die Chance geben würde, würde er es sich auf dem Trainersessel gemütlich machen. Doch weiß es ein Einzelner nicht immer besser, deswegen gibt es eine ganze Horde von Beratern, so auch in unserem zentralen Regierungsorgan – dem Bundestag. Mehr als 700 Abgeordnete, die über Gesetzesvorschläge, aktuelle Entwicklungen und die Politik Deutschlands diskutieren, arbeiten dort zusammen. Außerdem gibt es in Ministerien, im Kanzleramt und auch in den Büros der Abgeordneten noch einmal mindestens dreimal so viele Mitarbeiter, die ebenfalls an dem großen Bild der deutschen Politik werkeln.
Ein Blick hinter die Kulissen zu erhaschen ist schwer! – Doch auf unserer ersten Reise mit dem SKI nach Berlin haben wir ein paar Einblicke gewonnen, die das riesige Getriebe hinter Bundestag & Co erahnen ließen. Unsere Gruppe bestand aus 24 Jugendlichen aus ganz Deutschland. Für das Seminar des Schülerkollegs International sind wir für fünf Tage in Berlin zusammen gekommen. Bereichernde Gespräche, ein gemeinsames Interesse für Politik und ausgelesene Veranstaltungen haben unsere Reise begleitet und ausgemacht. Zu diesem Programm gehörten mitreißende Vorträge über die Projekte der Büros der „Welthungerhilfe“, der „Internationalen Organisation für Migration“ und auch dem Start-Up „Kiron“.
Sehr beeindruckend war der Besuch des Auswärtigen Amts, wo wir mit zwei Diplomaten sprechen konnten. Aus erster Hand erfahren zu dürfen, dass diese Beschäftigung mit vielen Reisen in fremde Länder, aber auch einem gewissem Frust und dem Gefühl, Weniges zu langsam verändern zu können, verbunden ist, war sicherlich eine einmalige Chance. Auch über alltägliche Aufgaben haben wir viel erfahren.
Unsere Tage endeten jedoch nie mit diesen Vorträgen. Bis in die tiefe Nacht sprachen wir noch über die Faszinationskraft dieser zwei Welten. Einerseits gibt es die NGOs, welche nah am Menschen, gezielt und direkt wirkende Projekte durchführen und andererseits die Regierungsorgane, deren Handeln oftmals erst nach langwierigen Verhandlungsprozessen Erfolg zeigt, dann aber potentiell mit umso größerer Wirkung.
Diese Diskussion haben wir weiter geführt, als wir das Bundeskanzleramt besuchten, welches uns sehr beeindruckte. Auch dort konnten wir mit zwei Mitarbeitern sprechen, die von ihren täglichen Aufgaben erzählt haben.
So hatten wir die Chance, das hinter einer Kanzlerin, wie Angela Merkel, stehende Multiversum im Bundeskanzleramt kennenzulernen. Experten für internationale Politik, Wirtschaft, Forschung und Rhetorik bereiten hier im Hintergrund jeweils ihre Themen für die Bundeskanzlerin auf, konkretisieren und verknüpfen das Wissen, sodass sie schließlich über die relevanten Fakten informiert in Gespräche gehen kann. Die Bundeskanzlerin ist folglich sehr auf ihre Mitarbeiter angewiesen, auch wenn deren Ergebnisse nur Empfehlungen sind und die Kanzlerin letztlich selbst entscheiden kann, ob sie sich an diese hält.
Am nächsten Tag haben wir mit einer Mitarbeiterin aus dem Büro eines Bundestagsabgeordneten gesprochen. Auch sie und ihre beiden Kollegen unterstützen wiederum einen Politiker, der seine Aufgaben alleine nicht bewältigen könnte. Aber sie tun eben nur das: sie helfen ihm. Schließlich wurde der Politiker gewählt und kann deswegen selbstbestimmt und in eigener Verantwortung handeln. Wir haben in Berlin gelernt, dass die Politiker sehr eng mit ihrem Team zusammenarbeiten. Sie sind auf Mitarbeiter angewiesen, um ihren Aufgaben und Anforderungen gerecht zu werden.
Viele Personen haben den Eindruck, dass sich Politiker oft in ihren Entscheidungen beeinflussen lassen. Verantwortlich hierfür kann der Druck der eigenen oder anderer Parteien oder das Streben, den Wünschen möglichst vieler Wähler gerecht zu werden, sein.
Parteien sind Zusammenschlüsse von Menschen deren Wünschen und Vorstellungen für die Zukunft und wie man dahin gelangen kann, ungefähr übereinstimmen. Es ist wichtig für die Wähler zu wissen, wie die Parteien in Zukunft wohl handeln werden und welche Meinungen und Positionen sie vertreten. Nur so können sie schließlich bei einer Wahl entscheiden, welche der Parteien sie vertreten soll.
Trotzdem werden immer wieder Wünsche und Forderungen nach mehr Entscheidungen und entschlossenerem Handeln der Politiker laut.
Das wirft eine wichtige Frage in der repräsentativen Demokratie auf: Wie könnte ein Kompromiss gefunden werden, wenn Politiker einerseits darauf achten müssen, den Wünschen der Wähler gerecht zu werden, es andererseits aber auch an den Wählern ist, Engagement für ihre Wünsche zu zeigen? Insbesondere letzteres scheint vielfach nicht als selbstverständlich angesehen zu werden, obwohl Grundsatz der Demokratie ja ist, dass das Volk entscheidet.
Wie ist es für uns Jugendliche also möglich, uns selbst in das politische Geschehen einzubringen? – Engagement ist hier ein interessantes Stichwort, insbesondere in Bezug auf die zukünftige Wählerschaft. Zwar haben die Politiker Mitarbeiter und Fachleute hinter sich, die sie unterstützen und ihnen verschiedene Perspektiven geben. Aber es endet niemals bei den Erwachsenen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist uns bewusst geworden, wie wichtig es ist, dass es auch junge Leute gibt, die die Politiker unterstützen. Junge Leute, die das politische Leben bereichern, indem sie Interesse an Politik zeigen. Indem sie offen diskutieren. Und nie aufhören, nach Lösungen für Probleme zu suchen. Und zwar nicht solche, die man wie beim Fußball inutitiv und besserwisserisch hineinrufen würde, sondern informierte und in Diskussionen von vielen verschiedenen Seiten betrachtete Lösungen. Das ist zumindest, was wir aus der ersten Reise mit dem Schülerkolleg International gelernt haben.