Von Moritz Knoll, SKI Jahrgang 2021/22

Der Mensch ist des Menschen Wolf

Thomas Hobbes

Dieses Zitat aus Hobbes Hauptwerk „Leviathan“ ist wohl eher nicht auf die menschliche Interaktion im Straßenverkehr bezogen, tatsächlich passt es jedoch sehr gut. Denn dem ADAC zufolge sind 90% der Unfälle im Straßenverkehr durch menschliches Versagen verursacht. Doch eben dieser Wolf könnte nun durch digitale Hilfe zum Hund werden. Denn dies ist das Versprechen des autonomen Fahrens. Den Straßenverkehr sicherer, die Logistik effektiver und billiger zu machen. Doch das autonome Fahren hält ihre eigenen Risiken bereit, doch auch Chancen für neue Anbieter. Auf welche Art diese Technologie die Automobilindustrie verändern wird, welche Risiken sie bereithält und wie die EU im internationalen Vergleich dasteht werde ich in diesem Blogpost erläutern.

In einem schwankenden Schiff fällt um, wer stillsteht und sich nicht bewegt

Ludwig Börne

Als Börne dies verfasste, war die Erfindung des Autos noch ungefähr hundert Jahre weit entfernt. Gleichwohl ist die Automobilindustrie gerade in einer Verfassung, die dem des hier beschworenen Schiffes nicht unähnlich ist. Denn die Automobilindustrie wird sich verändern, nicht nur wegen der Umstellung weg vom Verbrennungsmotor zu batterieelektrischen Antrieben, sondern auch wegen der Umstellung zum autonomen Fahren. Während der Markt für umweltfreundliche Antriebsalternativen bereits erkennbar ist, ist „das Schiff“ des autonomen Fahrens noch auf hoher See. Neue Anbieter drängen auf den Markt und verdrängen etablierte Kräfte.

Ein gutes Beispiel hierfür ist die Google-Tochter Waymo, eine Firma, die erst 2016 gEin gutes Beispiel hierfür ist die Google-Tochter Waymo, eine Firma, die erst 2016 gegründet wurde. Mittlerweile jedoch eine Kooperation mit der Stadt Phoenix (Arizona) hat und dort autonom fahrende Taxis fahren lässt und damit Erfahrungen sammelt. Oder Baidu, ein chinesischer Technologiegigant, der gefördert vom chinesischen Staat, eine chinesische Marktführung etablieren soll. Auch Baidu ist bereits in der Praxisphase, der eigene Fahrdienst Apollo ist in drei chinesischen Städten bereits autonom und ohne Sicherheitsfahrer unterwegs.

Der Stand in der EU

Während die Förderung autonomer Fahrzeuge in China und den USA vorangeht, ist die EU gespalten. Einerseits steht sie in der Kritik, so zum Beispiel durch Yasmine Fage, CGO bei Goggo Network, einem Start-Up im Bereich autonomes fahren: Sie beschreibt die Gefahr, dass die EU den Verlust der Vorrangstellung seiner Mobilitätsindustrie riskiere (Pravitz 2021: o.S). Dies zeichnet ein negatives Bild, das jedoch von dem aktuellen deutschen Vorstoß konterkariert wird. Denn der Bundestag hat im Mai 2021 ein Gesetz verabschiedet, das die Teilnahme autonomer Fahrzeuge am Verkehrsgeschehen ermöglicht. Dieses Gesetz ist im Moment jedoch beschränkt, da von den betroffenen Systemen bisher nur der sogenannte „Drive Pilot“, ein System von Mercedes, zugelassen ist.

Doch auch in diesem Gesetz zeigt sich ein gewisser Frust über die mangelnden Absprachen in Brüssel: „Bisher gibt es auf europäischer Ebene keinen hinreichenden Rechtsrahmen für Kraftfahrzeuge mit autonomer Fahrfunktion. Die Verordnung (EU) 2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge […] setzt nach ihrem Anwendungsbereich und den technischen Vorgaben stets eine fahrzeugführende Person und damit die umfassende Steuerbarkeit des Fahrzeugs voraus. Dementgegen zeichnen sich autonome Fahrfunktionen gerade dadurch aus, dass sie keine fahrzeugführende Person vorsehen“ (Deutsche Bundesregierung 2021: 1).

Was bleibt

Im autonomen Fahren liegt die Zukunft der Automobilindustrie. Während China und die USA dies bereits erkannt haben und massiv fördern, fehlen solche Programme und ein gesetzlicher Rahmen in der EU zum großen Teil. Dies muss sich ändern, die Bundesregierung hat Deutschland mit dem oben zitierten Gesetz bereits auf den Weg gebracht, die EU muss nun folgen. Eben die Übertragung dieses Gesetzes zeigt sich auch an einer Stellungnahme des VDA, die eine schnelle Übernahme des deutschen Gesetzes fordern (vgl. Henry 2021). Nur wenn die EU schnell handelt und auch Testprogramme erleichtern, kann Europa beim autonomen Fahren eine Führungsrolle einnehmen.

Abbildung: Moritz Knoll

Quellen

Q1: Vogel, Michael: China strebt Führungsrolle beim autonomen Fahren an, 2021
In : https://www.automotiveit.eu/technology/autonomes-fahren/china-behauptet-fuehrungsrolle-beim-autonomen-fahren-242.html
zugegriffen am 4.1.2022

Q2: Pravitz, Sven: EU-Politik zu langsam: Mobilitätsbranche schlägt Alarm, 2021
In: https://www.next-mobility.de/eu-politik-zu-langsam-mobilitaetsbranche-schlaegt-alarm-a-1078674/
zugegriffen am 4.1.2022

Q3: Deutsche Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und des Pflichtversicherungsgesetzes – Gesetz zum autonomen Fahren (Drucksache 19/27439), 2021
In: https://dserver.bundestag.de/btd/19/274/1927439.pdf
zugegriffen am 4.1.2022

Q4: Kuhle, Henry: Deutsche Poleposition, 2021                                                                                                                      In: https://www.vda.de/de/themen/digitalisierung/autonomes-fahren
zugegriffen am 4.1.2022