von Jan Langeloh, SKI Jahrgang 2021/22

Europa ist groß – 27 Staaten bringen sich durch 6 bis 96 Vertreter*innen im EU-Parlament ein (vgl. Europäisches Parlament 2018: o.S.)  Pro Land sind es (oft) deutlich unter hundert Menschen, die auf supranationaler Ebene die Interessen ihres gesamten Landes – mit Millionen Einwohner*innen – in der Gesetzgebung vertreten beziehungsweise repräsentieren sollen. Das ist keine leichte Aufgabe.

Was Ist Lobbyismus?

Ob Arbeitnehmer*innen, Umweltschützer*innen oder Industrievertreter*innen, in jedem Land profitieren oder leiden viele verschiedene Gruppen unter den Resultaten neuer Gesetze und möchten sich daher so früh wie möglich Gehör verschaffen. Dafür gibt es viele Lobbyist*innen. Diese machen es sich zur Aufgabe, die Interessen einer Gruppe zu vertreten (vgl. Duden o.D.: o.S.).

Der BDI – Lobbyismus in Europa

Wir als Schülerkolleg international hatten die Möglichkeit ins Gespräch, mit einem Referenten des BDI ins Gespräch zu kommen. Der BDI ist der Bundesverband der Deutschen Industrie. Dieser Verein vertritt die Interessen der einzelnen Industriezweige Deutschlands vor Brüssels Politik, insbesondere aber natürlich vor den deutschen Vertreter*innen des Parlaments. Die Aufgaben im Lobbying sind diverser als der Mythos der Industriekorruption es vermuten lässt. Eine Interessenvertretung wie der BDI hat gar nicht die Möglichkeit, Politiker*innen Aufsichtsratsposten in einzelnen Unternehmen oder Aktien dieser anzubieten – ganz zu schweigen davon, dass dies verbotene Korruption darstelle (vgl. StGB §332 Bestechlichkeit 2015: o.S.). Vielmehr ist die Arbeit des Lobbyismus explizit in Bezug auf den BDI in 3 Schritte gegliedert. Erstens das Erfassen der Interessen der Gruppe, hierzu tauscht sich der BDI regelmäßig mit den verschiedenen Bereichen der deutschen Wirtschaft, und auch einzelnen besonders betroffenen Unternehmen aus. Zweitens der EU-weite Austausch. In diesem Schritt werden mit den anderen Wirtschaftsvertretungen Dialoge, aber auch mit allen EU-Wirtschaftsvertretungen Gesamtplena geführt. Schlussendlich wird immer wieder eine aus der Konsensfindung entstandene Stellungnahme der Industrie erstellt. Im dritten Schritt gehen die Lobbyvertreter*innen der an der Stellungnahme beteiligten Staaten zu ihren Politiker*innen und erklären ihnen, weswegen diese Stellungnahme im Interesse ihrer Wirtschaft ist. Dieser dritte Schritt unterliegt in der EU jedoch strengen Regelungen – Es gibt ein Transparenzregister (vgl. Bundesanzeiger o.J.: o.S.), in welchem sich alle wirtschaftlich berechtigten Personen mit ihren persönlichen Daten (Name, Wohnort, etc.), aber auch mit Art und Umfang des geplanten eigenen Lobbyings eintragen müssen (vgl. Bundesministerium der Finanzen 2019: S. 2087).

Kritik und Fazit.

Trotz der, wie ich finde, strengeren Lobbyismus-Regulierungen der EU im Vergleich zu Deutschland, sollte meiner Meinung nach nicht alles positiv gesehen werde. Viele Interessensgruppen betrachten Probleme aus nur einem Blickwinkel und schauen welche Antwort für sie die beste ist – Politik ist aber immer ein Kompromiss. Wenn bestimmte Interessensgruppen viel Einfluss auf die Entscheidungsfindung nehmen, kann auch das politische Gleichgewicht leiden. So trugen deutsche Wirtschaftsvertreter*innen letztlich auch zur starken Abhängigkeit zu Russland, besonders im Faktor Erdgas, bei – ein Fehler, der zu spät erkannt wurde. Lobbyismus in Europa ist eine Interessenvertretung und Ideeneinbringung mit festen Regelrahmen. Wer Lobbyist*in ist, trägt viel Verantwortung, hat aber auch die Chance entscheidende Anregungen zu geben und durch leichte Anpassungen Gesetze praktikabler für alle Beteiligten zu gestalten. 

Literaturverzeichnis